Zero Trust ist ein Sicherheitskonzept in der IT, das auf dem Grundsatz basiert, dass keinem Nutzer, Gerät oder Dienst automatisch vertraut werden sollte – unabhängig davon, ob sich diese innerhalb oder außerhalb des Unternehmensnetzwerks befinden. Im Gegensatz zu traditionellen Sicherheitsmodellen, die auf einen starken Netzwerkperimeter setzen, geht Zero Trust davon aus, dass Bedrohungen sowohl von außen als auch von innen kommen können.

Wie funktioniert das Zero Trust-Prinzip?

Das Kernprinzip von Zero Trust lässt sich mit dem Leitsatz „Never trust, always verify“ zusammenfassen. Jede Zugriffsanfrage wird unabhängig von ihrem Ursprung verifiziert und authentifiziert. Nach erfolgreicher Authentifizierung folgt die Autorisierung, die genau festlegt, auf welche Ressourcen der Nutzer zugreifen darf.

Traditionelle Sicherheitsmodelle funktionieren nach dem Prinzip des Perimeterschutzes. Dabei wird zwischen einem vertrauenswürdigen Inneren (dem Unternehmensnetzwerk) und einem nicht vertrauenswürdigen Äußeren (dem Internet) unterschieden. Wer sich einmal innerhalb des Perimeters befindet, erhält weitreichenden Zugang zu internen Ressourcen. Zero Trust bricht mit dieser Logik und behandelt jede Verbindung, jeden Zugriff und jede Transaktion als potenzielles Sicherheitsrisiko.

Die grundlegende Annahme: Das Netzwerk ist bereits kompromittiert oder könnte jederzeit kompromittiert werden. Daher muss jede Interaktion kontinuierlich überprüft werden.

Worauf basiert Zero Trust? Die fünf Säulen

Zero Trust basiert auf fünf grundlegenden Säulen, die zusammen ein umfassendes Sicherheitskonzept bilden:

  1. Strikte Verifizierung aller Identitäten Jeder Nutzer, jedes Gerät und jede Anwendung muss eindeutig identifiziert und authentifiziert werden, bevor Zugriff gewährt wird. Dies gilt für menschliche Nutzer ebenso wie für Maschinen und Dienste.
  2. Prinzip der minimalen Rechtevergabe (Least Privilege) Nutzer und Systeme erhalten ausschließlich die Zugriffsrechte, die sie für ihre konkrete Aufgabe benötigen. Diese granularen Zugriffskontrollen reduzieren die potenzielle Angriffsfläche erheblich, da selbst bei einer erfolgreichen Kompromittierung eines Accounts der Schaden begrenzt bleibt.
  3. Mikrosegmentierung des Netzwerks Statt eines großen, offenen internen Netzwerks wird die IT-Infrastruktur in kleine, isolierte Segmente unterteilt. Der Zugriff zwischen diesen Segmenten wird streng kontrolliert und überwacht, wodurch verhindert wird, dass sich Angreifer lateral durch das Netzwerk bewegen können.
  4. Kontinuierliche Überprüfung und Validierung Zero Trust ist kein einmaliger Authentifizierungsvorgang, sondern ein permanenter Prozess. Der Zugriff wird während der gesamten Sitzung überwacht, und Anomalien können zum sofortigen Entzug von Berechtigungen führen.
  5. Annahme der Kompromittierung (Assume Breach) Das Sicherheitsmodell geht davon aus, dass bereits eine Kompromittierung stattgefunden haben könnte. Daher wird nicht nur präventiv gearbeitet, sondern auch darauf geachtet, Angriffe schnell zu erkennen und einzudämmen.

Warum wurde Zero Trust entwickelt?

Das Zero Trust-Konzept entstand als Antwort auf fundamentale Veränderungen in der IT-Landschaft. Erstmals wurde der Begriff 2010 von John Kindervag, einem Analysten bei Forrester Research, geprägt.

Die zunehmende Verbreitung von Cloud-Diensten hat die Grenzen des traditionellen Unternehmensnetzwerks aufgelöst. Anwendungen und Daten befinden sich nicht mehr ausschließlich im eigenen Rechenzentrum, sondern sind über verschiedene Cloud-Umgebungen verteilt. Der klassische Netzwerkperimeter, der früher klar definiert war, existiert nicht mehr.

Die Zunahme mobiler Arbeit und Remote-Szenarien hat diesen Trend verstärkt. Mitarbeiter greifen von unterschiedlichsten Standorten und Geräten auf Unternehmensressourcen zu.

Gleichzeitig haben sich die Bedrohungen weiterentwickelt. Moderne Angriffe nutzen oft legitime Zugangsdaten, um in Netzwerke einzudringen. Angreifer, die einmal Zugang erhalten haben, können sich in traditionellen Netzwerken oft ungehindert lateral bewegen und kritische Systeme kompromittieren.

Welche Technologien ermöglichen Zero Trust?

Die Umsetzung einer Zero Trust Architektur erfordert eine Kombination verschiedener Technologien, die nahtlos zusammenarbeiten müssen:

Multi-Faktor-Authentifizierung (MFA) Stellt sicher, dass die Identität eines Nutzers durch mehrere unabhängige Faktoren bestätigt wird: etwas, das der Nutzer weiß (Passwort), etwas, das er besitzt (Token oder Smartphone) und etwas, das er ist (biometrische Merkmale).

Identity and Access Management (IAM) Bildet das Rückgrat der Identitätsverwaltung durch zentrale Verwaltung von Nutzeridentitäten, Steuerung von Zugriffsrechten und Single Sign-On-Funktionalität. Moderne IAM-Lösungen können auch risikobasierte Authentifizierung durchführen und den Kontext einer Zugriffsanfrage bewerten.

Network Access Control (NAC) Überprüft die Compliance und den Sicherheitsstatus von Geräten, bevor diese Zugang zum Netzwerk erhalten. NAC-Lösungen stellen beispielsweise sicher, dass nur Geräte mit aktuellen Sicherheitspatches und aktiver Antivirus-Software Zugriff erhalten.

Software-Defined Perimeter (SDP) Schafft dynamische und individuelle Netzwerkperimeter für jeden Nutzer, wodurch Ressourcen für nicht autorisierte Nutzer unsichtbar bleiben.

Security Information and Event Management (SIEM) Sammelt, korreliert und analysiert Sicherheitsereignisse in Echtzeit, um Bedrohungen schnell zu identifizieren und darauf reagieren zu können.

Endpoint Detection and Response (EDR) Erkennt und bekämpft Bedrohungen direkt auf Endgeräten und ermöglicht schnelle Reaktion auf Sicherheitsvorfälle.

Wie wird Zero Trust implementiert?

Die Einführung von Zero Trust ist ein schrittweiser Transformationsprozess. Der erste Schritt besteht in der Bestandsaufnahme und Definition der Sicherheitsrichtlinien: Unternehmen müssen ihre wertvollsten Assets identifizieren, Datenflüsse verstehen und bestehende Zugriffsbeziehungen kartieren. Die Sicherheitsrichtlinien bilden dabei das Fundament und definieren, wer unter welchen Bedingungen auf welche Ressourcen zugreifen darf.

Empfehlenswert ist ein pilotbasierter Ansatz. Organisationen wählen zunächst einen begrenzten Bereich aus, etwa eine bestimmte Anwendung oder eine Nutzergruppe, und implementieren dort Zero Trust-Prinzipien. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in die weitere Ausrollung ein.

Die größte Herausforderung liegt oft in organisatorischen und kulturellen Aspekten. Zero Trust kann anfänglich als hinderlich empfunden werden, da Zugriffe nicht mehr so reibungslos funktionieren wie gewohnt. Sicherheitsmitarbeiter spielen eine zentrale Rolle bei der kontinuierlichen Überwachung, der Analyse von Sicherheitsereignissen und der Reaktion auf Vorfälle. Sie müssen entsprechend geschult werden und die neuen Prozesse verstehen. Change Management und Nutzer-Schulungen sind daher essenziell.

Weitere Herausforderungen ergeben sich aus Legacy-Systemen, die sich möglicherweise nicht vollständig integrieren lassen, sowie der Integration verschiedener Sicherheitslösungen von unterschiedlichen Herstellern. Zudem muss sichergestellt werden, dass die kontinuierliche Überwachung die Performance nicht beeinträchtigt.

Fazit

Zero Trust ist ein Sicherheitsparadigma, das von der Grundannahme ausgeht, dass keinem Element im Netzwerk automatisch vertraut werden sollte. Durch strikte Verifizierung, minimale Rechtevergabe, Mikrosegmentierung, kontinuierliche Überwachung und die Annahme bereits erfolgter Kompromittierung schafft es einen mehrschichtigen Sicherheitsansatz für die moderne IT-Landschaft.

Für B2B-Unternehmen bedeutet Zero Trust heute eine strategische Notwendigkeit. Regulierungen wie die NIS2-Richtlinie in Europa setzen zunehmend auf Zero Trust-Prinzipien. Geschäftspartner und Kunden erwarten nachweislich hohe Sicherheitsstandards, insbesondere bei der Verarbeitung sensibler Daten. Zero Trust ermöglicht es, die Sicherheitsposture transparent zu dokumentieren und Vertrauen aufzubauen. Zudem reduziert es das Risiko kostspieliger Sicherheitsvorfälle und Reputationsschäden, die für B2B-Unternehmen existenzbedrohend sein können.

Hendrik Schrandt


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