Operational Technology – kurz OT oder auch Betriebstechnologie genannt – bezeichnet Hard- und Software zur Überwachung und Steuerung physischer Prozesse und Maschinen. Während klassische IT-Systeme Daten verarbeiten und speichern, greift operative Technologie direkt in die reale Welt ein: Sie steuert Produktionsanlagen, regelt Stromnetze und überwacht Wasseraufbereitungsanlagen.
Lange Zeit existierte OT in abgeschotteten Welten mit proprietären Protokollen und mechanischen Steuerungen. Diese Zeiten sind vorbei. Die Digitalisierung und das Internet der Dinge lassen IT und OT zusammenwachsen – mit allen Chancen und Risiken, die diese IT/OT-Konvergenz mit sich bringt.
Wie funktioniert Operational Technology?
OT-Systeme verbinden die digitale mit der physischen Welt. Sie erfassen über Sensoren den Zustand von Maschinen und Anlagen, verarbeiten diese Informationen in Echtzeit und steuern über Aktuatoren die entsprechenden Prozesse. Die Reaktionszeiten reichen je nach Anwendung von Millisekunden bei sicherheitskritischen Steuerungen bis zu Sekunden oder Minuten bei weiträumigen SCADA-Systemen. Ein Produktionsfehler oder Sicherheitsvorfall lässt sich nicht einfach mit einem Neustart beheben.
Die Technologiesysteme haben sich aus mechanischen Steuerungen entwickelt. Frühe Systeme nutzten pneumatische oder hydraulische Komponenten, später kamen elektronische Steuerungen hinzu. Mit der fortschreitenden Digitalisierung wurden diese Systeme vernetzt und um Datenverarbeitungsfunktionen erweitert. Trotzdem bleiben grundlegende Unterschiede zur klassischen IT bestehen, die sich in Betriebsumgebungen besonders deutlich zeigen.
Welche OT-Systeme gibt es?
Die Landschaft der operativen Technologie ist vielfältig. Im Kern geht es immer um die gleiche Aufgabe – die Steuerung physischer Prozesse in Unternehmen und kritischen Infrastrukturen –, aber die konkreten Technologiesysteme unterscheiden sich je nach Einsatzgebiet erheblich.
Industrielle Steuerungssysteme (ICS) bilden den Oberbegriff für alle Steuerungssysteme in der operativen Technologie. Sie umfassen verschiedene spezialisierte Systeme:
SCADA-Systeme (Supervisory Control and Data Acquisition) sind eine Form von ICS und überwachen sowie steuern verteilte Anlagen über große geografische Distanzen. Sie kommen in Stromnetzen, Pipelines oder Wasserversorgungssystemen zum Einsatz und bieten eine zentrale Übersicht über komplexe Infrastrukturen.
Prozessleitsysteme (DCS – Distributed Control Systems) steuern kontinuierliche Produktionsprozesse in der Chemie-, Öl- und Gasindustrie. Sie sind für präzise Regelung komplexer Prozesse optimiert.
Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS oder PLC) sind das Herzstück vieler Produktionsanlagen. Sie reagieren in Echtzeit auf Sensordaten und steuern Fertigungsprozesse, Förderbänder oder Roboterarme direkt an den Maschinen.
Human-Machine-Interfaces (HMI) ermöglichen die Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Sie visualisieren Prozessdaten, erlauben manuelle Eingriffe und protokollieren Ereignisse. Sensoren und Aktuatoren schließlich sind die Schnittstellen zur physischen Welt – sie messen Temperaturen, Drücke oder Durchflussmengen und setzen Steuerbefehle in mechanische Bewegungen um.
Was unterscheidet OT von IT?
Der Unterschied zwischen Operational Technology und Informationstechnologie liegt nicht nur in der Technik, sondern vor allem in der Zielsetzung und den Prioritäten bei der Steuerung von Prozessen. Die folgende Tabelle zeigt die wichtigsten Unterschiede auf einen Blick:
| Aspekt | IT (Informationstechnologie) | OT (Operational Technology) |
| Hauptfunktion | Verarbeitung, Speicherung und Übertragung von Daten | Überwachung und Steuerung physischer Prozesse und Maschinen |
| Prioritäten | 1. Vertraulichkeit (Confidentiality)<br>2. Integrität (Integrity)<br>3. Verfügbarkeit (Availability) | 1. Betriebssicherheit (Safety)<br>2. Verfügbarkeit (Availability)<br>3. Integrität (Integrity) |
| Typischer Lebenszyklus | 3-5 Jahre | 15-20 Jahre oder länger |
| Update-Frequenz | Regelmäßig (monatlich/quartalsweise) | Selten (Jahre zwischen Updates) |
| Ausfalltoleranz | Neustart meist möglich | Ausfall kann katastrophale Auswirkungen haben |
| Echtzeit-Anforderungen | Gering bis moderat | Kritisch (Millisekunden bis Sekunden) |
| Typische Systeme | Server, Workstations, Cloud-Dienste | SCADA, DCS, SPS/PLC, Sensoren |
| Hauptrisiko bei Fehler | Datenverlust, Kommunikationsstörung | Produktionsausfall, Umweltschaden, Gefahr für Menschen |
IT-Systeme konzentrieren sich auf die Verarbeitung, Speicherung und Übertragung von Informationen. Sie unterstützen Geschäftsprozesse wie Buchhaltung, Vertrieb oder Kommunikation. Betriebstechnologie hingegen steuert physische Prozesse und Maschinen direkt. Ein Fehler in der IT bedeutet verlorene Daten oder gestörte Kommunikation. Ein Fehler in der OT kann Produktionsausfälle, Umweltschäden oder im schlimmsten Fall Gefahr für Menschenleben bedeuten.
Diese unterschiedlichen Risikoprofile spiegeln sich in den Prioritäten wider. In der OT steht die Betriebssicherheit (Safety) an erster Stelle – also der Schutz von Menschen, Umwelt und Anlagen. Erst danach folgen Verfügbarkeit und IT-Sicherheit (Security). Diese Unterscheidung zwischen Safety und Security ist fundamental für das Verständnis von OT.
Eine Betriebsumgebung, die heute installiert wird, muss noch 2045 funktionieren. Das macht Updates kompliziert: Jede Änderung an laufenden Systemen bedeutet Produktionsausfälle und birgt das Risiko, bewährte Prozesse zu stören.
Das Patch-Management zeigt diese Unterschiede besonders deutlich. Während IT-Systeme regelmäßig Updates erhalten, bleiben viele Technologiesysteme in der operativen Technologie über Jahre unverändert. Patches für industrielle Steuerungen erscheinen selten, und ihre Installation erfordert oft Produktionsstillstände. Im schlimmsten Fall kann ein Patch ein zuvor stabiles System destabilisieren – ein Risiko, das viele Unternehmen nicht eingehen wollen.
Wie unterscheidet sich OT von IoT?
Operational Technology und das Internet der Dinge (IoT) werden oft verwechselt, verfolgen aber unterschiedliche Ansätze. Die Tabelle zeigt die wesentlichen Unterschiede:
| Aspekt | OT (Operational Technology) | IoT (Internet of Things) |
| Zweck | Kritische Echtzeitsteuerung industrieller Prozesse | Vernetzte Datensammlung und -analyse |
| Einsatzbereich | Fabriken, Kraftwerke, kritische Infrastrukturen | Smart Homes, Wearables, vernetzte Fahrzeuge |
| Lebenszyklus | 15-20+ Jahre (Langlebigkeit) | 3-5 Jahre (regelmäßige Erneuerung) |
| Konnektivität | Geschlossene, isolierte Netzwerke | Internetkonnektivität, Cloud-Integration |
| Sicherheitsfokus | Betriebssicherheit (Safety) & Verfügbarkeit | Datenschutz, sichere Gerätekommunikation |
| Umgebungsbedingungen | Extreme Bedingungen (Temperatur, Vibration) | Normale Umgebungsbedingungen |
| Echtzeit-Kritikalität | Extrem hoch (Millisekunden) | Niedrig bis moderat |
OT konzentriert sich auf die kritische Echtzeitsteuerung industrieller Prozesse in spezialisierten Betriebsumgebungen wie Fabriken oder Kraftwerken. IoT vernetzt dagegen Alltagsgeräte und Systeme, um Daten zu sammeln, zu analysieren und daraus Erkenntnisse zu gewinnen.
Die Grenzen verschwimmen allerdings zunehmend: Moderne Industrieanlagen nutzen IoT-Sensoren, und Smart-City-Anwendungen kombinieren klassische OT mit IoT-Technologien. Die Auswirkungen eines Ausfalls sind jedoch unterschiedlich: OT priorisiert die Betriebssicherheit und Systemverfügbarkeit – ein Ausfall kann katastrophale Folgen haben. IoT legt den Schwerpunkt auf Datenschutz und sichere Gerätekommunikation. Beide Ansätze nähern sich jedoch an, da Betriebstechnologie zunehmend vernetzt wird und IoT-Systeme in kritischen Anwendungen zum Einsatz kommen.
Warum ist Operational Technology wichtig?
OT bildet das Rückgrat moderner Industriegesellschaften. Sie ermöglicht die effiziente Produktion von Gütern, hält kritische Infrastrukturen am Laufen und sorgt für zuverlässige Versorgung mit Energie, Wasser und Transportleistungen. Die Auswirkungen reichen von einzelnen Unternehmen bis zur gesamten Gesellschaft.
Auf Unternehmensebene ist Betriebstechnologie direkt mit den Kerngeschäftsprozessen verbunden. In einer Fabrik ermöglicht sie die Herstellung von Produkten. In Krankenhäusern steuert sie lebenserhaltende Systeme. Fällt die OT aus, steht das Geschäft still. Diese direkte Verbindung zur Wertschöpfung macht operative Technologie für Unternehmen unverzichtbar.
Gesellschaftlich gesehen hängt die Funktionsfähigkeit kritischer Infrastrukturen von OT-Systemen ab. Das zeigte sich im Mai 2021 beim Ransomware-Angriff auf die Colonial Pipeline in den USA. Die Pipeline transportiert täglich 2,5 Millionen Barrel Treibstoff – ihre Abschaltung führte zu erheblichen Versorgungsengpässen an der Ostküste. Solche Vorfälle machen deutlich, wie abhängig moderne Gesellschaften von funktionierender Betriebstechnologie sind und welche Auswirkungen Cyberangriffe haben können.
Betriebstechnologie trägt auch zur Nachhaltigkeit bei. Durch präzise Steuerung und Überwachung von Prozessen lassen sich Energieverbrauch senken, Emissionen reduzieren und Ressourcen effizienter nutzen. Moderne OT-Systeme ermöglichen vorausschauende Wartung, die Ausfälle verhindert und die Lebensdauer von Maschinen und Anlagen verlängert.
Wo kommt OT zum Einsatz?
Operational Technology findet sich überall dort, wo physische Prozesse automatisiert gesteuert werden müssen. Die Bandbreite reicht von der klassischen Industrieproduktion bis zu alltäglichen Systemen, die wir kaum noch wahrnehmen.
In der Fertigungsindustrie steuern Technologiesysteme Produktionslinien, Montageroboter und Qualitätssicherungssysteme. Sie synchronisieren komplexe Abläufe, optimieren Materialflüsse und garantieren gleichbleibende Produktqualität. Ohne operative Technologie wäre moderne Massenproduktion nicht denkbar. Das Bestandsmanagement von Rohstoffen und Halbfertigprodukten wird ebenfalls über OT-Systeme koordiniert.
Die Energieversorgung basiert vollständig auf Betriebstechnologie. Kraftwerke, Umspannwerke und Stromnetze werden über SCADA-Systeme überwacht und gesteuert. Smart Grids nutzen OT, um Stromangebot und -nachfrage in Echtzeit auszubalancieren und erneuerbare Energien zu integrieren. Jeder Lichtschalter, den wir betätigen, setzt eine Kette von OT-gesteuerten Prozessen in Gang.
In der Wasser- und Abwasserwirtschaft überwachen OT-Systeme Aufbereitungsanlagen, Pumpstationen und Verteilnetze. Sie sorgen für konstante Wasserqualität und verhindern Engpässe in der Versorgung kritischer Infrastrukturen. Transport und Logistik nutzen operative Technologie für Verkehrsmanagementsysteme, die Ampelschaltungen optimieren, Verkehrsflüsse steuern und Unfälle vermeiden helfen.
Auch außerhalb klassischer Industriebereiche ist Betriebstechnologie allgegenwärtig. Gebäudeautomation steuert Heizung, Lüftung und Klimaanlagen in Bürokomplexen. Im Gesundheitswesen überwachen medizinische Geräte Patientenzustände und dosieren Medikamente. Auch Geldautomaten lassen sich als OT-ähnliche Systeme betrachten – sie steuern mechanische Prozesse der Geldausgabe, folgen aber eher IT-typischen Lebenszyklen und Update-Strategien.
Was bedeutet IT/OT-Konvergenz?
IT/OT-Konvergenz beschreibt die zunehmende Verschmelzung von klassischer Informationstechnologie und Operational Technology. Was jahrzehntelang getrennt existierte, wächst zusammen – getrieben von Industrie 4.0, dem Internet der Dinge und der Digitalisierung industrieller Prozesse.
Früher arbeiteten OT-Systeme in isolierten Betriebsumgebungen mit proprietären Protokollen. Ein Produktionssteuerungssystem kommunizierte nur innerhalb der Fabrik, und das über herstellerspezifische Schnittstellen. Diese Isolation bot Sicherheit vor externen Bedrohungen, verhinderte aber auch Innovation. Die Verbreitung von Ethernet- und IP-basierten Netzwerken auch im industriellen Umfeld ließ diese Grenzen verschwimmen. Moderne Kommunikationsstandards wie OPC UA (Open Platform Communications Unified Architecture) ermöglichen heute die standardisierte und sichere Kommunikation zwischen IT- und OT-Systemen.
Die Konvergenz von IT und OT bringt erhebliche Vorteile für Unternehmen. Predictive Maintenance nutzt Daten aus OT-Systemen, um Wartungsbedarf vorherzusagen, bevor Ausfälle in Produktionsanlagen auftreten. Prozessoptimierung analysiert Produktionsabläufe in Echtzeit und identifiziert Ineffizienzen. Remote-Steuerung erlaubt die Überwachung und Wartung von Maschinen über das Internet. Machine-to-Machine-Kommunikation ermöglicht die direkte Abstimmung zwischen Maschinen ohne menschliche Intervention.
Künstliche Intelligenz und Machine Learning eröffnen neue Möglichkeiten in der operativen Technologie. Sie analysieren Muster in Produktionsdaten, optimieren Energieverbrauch oder erkennen Qualitätsprobleme, bevor sie sich auf das Endprodukt auswirken. Diese Innovationen sind nur durch die Konvergenz von OT-Daten mit IT-Analysefähigkeiten möglich und treiben die Digitalisierung in Industrie 4.0 voran.
Die IT/OT-Konvergenz schafft aber auch neue Herausforderungen und Risiken. Technologiesysteme, die jahrelang isoliert in Netzwerken liefen, sind plötzlich über das Internet erreichbar. Die klassische Trennung der Verantwortlichkeiten zwischen IT- und OT-Teams funktioniert nicht mehr. Sicherheitskonzepte müssen neu gedacht werden, um beiden Welten gerecht zu werden.
Welche Herausforderungen bringt OT mit sich?
Die Integration von Betriebstechnologie in moderne Unternehmensinfrastrukturen ist komplex. Viele Herausforderungen resultieren aus dem Alter und der Beschaffenheit bestehender Systeme in der Betriebsumgebung.
Legacy-Systeme prägen die OT-Landschaft in Unternehmen. Industrieanlagen und Maschinen, die vor 20 oder 30 Jahren installiert wurden, laufen noch immer. Diese Technologiesysteme nutzen proprietäre Protokolle, die mit modernen IT-Standards nicht kompatibel sind. Sie zu ersetzen ist oft keine Option – die Kosten wären enorm und die Prozesse laufen zuverlässig. Eine Integration in moderne Netzwerke erfordert Gateways, Protokollkonverter und aufwendige Anpassungen der Infrastruktur.
Das Patch-Management in OT-Umgebungen folgt eigenen Regeln. Während IT-Systeme regelmäßig Updates erhalten, bleiben operative Technologiesysteme oft jahrelang unverändert. Der Grund ist nachvollziehbar: Jedes Update birgt das Risiko einer Betriebsunterbrechung in Produktionsanlagen. Im besten Fall bedeutet die Patch-Installation geplante Ausfallzeiten. Im schlimmsten Fall macht das Update ein bisher stabiles System instabil. Viele Betreiber entscheiden sich gegen Updates – die Verfügbarkeit hat Priorität vor aktueller Software, trotz der damit verbundenen Sicherheitsrisiken.
Die Wissenslücke zwischen IT- und OT-Teams erschwert die Zusammenarbeit in Unternehmen. OT-Ingenieure verstehen die Prozesse und Maschinen, haben aber oft wenig IT-Expertise. IT-Experten kennen Netzwerke und Cybersecurity, verstehen aber die Besonderheiten industrieller Steuerungen nicht. Diese Kluft zu überbrücken erfordert Training, gemeinsame Standards und gegenseitiges Verständnis – eine zentrale Herausforderung bei der IT/OT-Konvergenz.
Die Kosten der Modernisierung sind erheblich. Die Vernetzung alter Anlagen, die Implementierung von Sicherheitsmaßnahmen, das Bestandsmanagement der OT-Assets und die Schulung von Personal verschlingen Budgets. Viele Unternehmen scheuen diese Investitionen, solange die bestehenden Systeme funktionieren. Das verschiebt Probleme und Risiken in die Zukunft und erhöht langfristig die technische Schuld.
Wie sicher ist Operational Technology?
OT-Sicherheit steht vor besonderen Herausforderungen. Die IT/OT-Konvergenz öffnet Angriffsflächen für Cyberangriffe, die früher nicht existierten. Technologiesysteme, die jahrzehntelang in isolierten Betriebsumgebungen liefen, sind plötzlich über Netzwerke erreichbar – und damit potenzielle Ziele für Bedrohungen.
Legacy-Systeme in der operativen Technologie besitzen oft keine integrierten Sicherheitsfunktionen. Als sie entwickelt wurden, gab es keine Cyberbedrohungen, wie wir sie heute kennen. Die Entwicklung fokussierte sich auf Zuverlässigkeit und Stabilität der Steuerungen, nicht auf Authentifizierung oder Verschlüsselung. Diese Systeme nachträglich abzusichern ist aufwendig und manchmal technisch unmöglich – ein erhebliches Risiko für Unternehmen.
Kritische Infrastrukturen sind besonders gefährdete Ziele für Cyberangriffe. Angriffe auf Strom-, Wasser- oder Verkehrsnetze können ganze Regionen lahmlegen. Der Colonial-Pipeline-Vorfall zeigt die realen Auswirkungen: Ein erfolgreicher Ransomware-Angriff führte zu Treibstoffknappheit für Millionen Menschen. Bereits 2010 demonstrierte der Stuxnet-Wurm, dass gezielte Angriffe auf OT-Systeme möglich sind – damals wurden iranische Urananreicherungsanlagen über manipulierte SPS-Steuerungen sabotiert. Solche Vorfälle machen OT-Sicherheit zu einer Frage der nationalen Sicherheit und verdeutlichen die Risiken vernetzter Infrastrukturen.
Standards und Frameworks bieten Orientierung für Sicherheitsmaßnahmen. Die IEC 62443 definiert Anforderungen für die Sicherheit industrieller Automatisierungs- und Steuerungssysteme. Das NIST Cybersecurity Framework liefert Richtlinien speziell für kritische Infrastrukturen. Diese Standards helfen, Sicherheitskonzepte systematisch aufzubauen, ersetzen aber nicht die konkrete Umsetzung in der Betriebsumgebung.
Wie lässt sich OT absichern?
Die Absicherung von OT-Umgebungen erfordert einen strukturierten Ansatz, der die Besonderheiten operativer Technologie berücksichtigt. Diese sechs Schritte bilden die Grundlage für wirksame Sicherheitsmaßnahmen:
1. Umfassende Risikobewertung durchführen
Identifizieren Sie alle OT-Assets im Bestandsmanagement, bewerten Sie potenzielle Schwachstellen in Netzwerken und Systemen und schätzen Sie die Auswirkungen möglicher Cyberangriffe ein. Diese Analyse zeigt, wo die kritischsten Risiken für Unternehmen liegen und welche Technologiesysteme Priorität bei Schutzmaßnahmen haben sollten. Die Risikobewertung bildet die Grundlage für alle weiteren Sicherheitsmaßnahmen.
2. Netzwerksegmentierung implementieren
Trennen Sie OT-Systeme von IT-Netzwerken und beschränken Sie die Kommunikation zwischen beiden auf das Notwendige. Die Segmentierung folgt häufig dem Purdue Model (ISA-95), das OT-Netzwerke in hierarchische Zonen unterteilt – von der Feldebene mit Sensoren und Steuerungen über die Prozessebene bis zur Unternehmensebene. Diese Isolation verhindert, dass Angreifer, die in IT-Systeme eindringen, direkt auf Produktionsanlagen oder Steuerungen zugreifen können. Die Segmentierung reduziert auch das Risiko der lateralen Bewegung innerhalb der Netzwerke. In einigen Fällen kommt auch eine Industrial DMZ (geschützte Übergangszone) zum Einsatz, die als zusätzliche Sicherheitsschicht zwischen IT- und OT-Netzwerken fungiert.
3. Defense-in-Depth-Strategie aufbauen
Setzen Sie auf mehrere Sicherheitsebenen in der Betriebsumgebung. Firewalls, Intrusion Detection Systems und Endpunktsicherheit ergänzen sich. Fällt eine Schutzebene aus, greifen andere Sicherheitssysteme. Diese Redundanz ist in OT-Umgebungen besonders wichtig, da einzelne Sicherheitsmaßnahmen oft nicht perfekt implementiert werden können, ohne die Verfügbarkeit kritischer Prozesse zu gefährden.
4. Legacy-Systeme gezielt absichern
Da ältere Technologiesysteme oft nicht direkt gesichert werden können, braucht es kompensierende Maßnahmen. Zugriffsbeschränkungen, dedizierte Netzwerksegmente und virtuelle Patches können Systeme schützen, die selbst keine Sicherheitsfunktionen bieten. Identity Management spielt hier eine wichtige Rolle, um den Zugriff auf kritische Systeme zu kontrollieren und zu protokollieren. In einigen Fällen ist auch ein Air Gap – die vollständige physische Trennung besonders kritischer Systeme vom Netzwerk – die sicherste Lösung.
5. OT-spezifisches Sicherheitstraining etablieren
Schulen Sie Mitarbeiter darin, wie sich Cyberbedrohungen auf physische Prozesse und Maschinen auswirken können. Das Training überbrückt die Kluft zwischen IT- und OT-Teams und fördert ein gemeinsames Sicherheitsverständnis – eine zentrale Herausforderung bei der IT/OT-Konvergenz. Regelmäßige Schulungen halten das Sicherheitsbewusstsein in Unternehmen auf hohem Niveau.
6. Incident-Response-Plan entwickeln und testen
Bereiten Sie sich mit klar dokumentierten Plänen auf Sicherheitsvorfälle vor. Definieren Sie Verantwortlichkeiten und Eskalationswege für Vorfälle in OT-Umgebungen und Produktionsanlagen. Regelmäßige Tests und Aktualisierungen stellen sicher, dass der Plan im Ernstfall funktioniert. Anders als in der IT kann in der operativen Technologie nicht einfach alles heruntergefahren werden – der Plan muss die Besonderheiten laufender Produktion berücksichtigen und die Auswirkungen auf kritische Infrastrukturen einkalkulieren. Dabei steht die Betriebssicherheit (Safety) immer an erster Stelle.
Fazit: OT wird wichtiger, nicht einfacher
Operational Technology ist mehr als nur eine technische Spielart der IT. Sie bildet das Fundament moderner Industriegesellschaften und steuert Prozesse, von denen Wirtschaft und Gesellschaft unmittelbar abhängen. Die klaren Grenzen zwischen IT und OT lösen sich auf – die IT/OT-Konvergenz bringt Innovation durch Digitalisierung und Industrie 4.0, schafft aber auch neue Risiken durch Cyberangriffe und Bedrohungen.
Die Herausforderungen für Unternehmen sind real: alte Technologiesysteme, die jahrzehntelang in Produktionsanlagen laufen müssen. Sicherheitslücken in Netzwerken und Infrastrukturen, die sich nicht einfach schließen lassen. Teams, die unterschiedliche Sprachen sprechen und verschiedene Prioritäten bei der Steuerung von Maschinen und Prozessen setzen. Betreiber kritischer Infrastrukturen, die vor der Entscheidung stehen, zwischen Verfügbarkeit und Sicherheit zu wählen.
Gleichzeitig wächst die Bedeutung von Betriebstechnologie. Industrie 4.0, Smart Cities und vernetzte Infrastrukturen sind ohne moderne Operational Technology undenkbar. Wer heute die richtigen Weichen stellt – in Technik, Organisation und Qualifikation –, schafft die Grundlage für wettbewerbsfähige und sichere Systeme. Wer die Herausforderungen ignoriert und notwendige Sicherheitsmaßnahmen aufschiebt, handelt sich technische Schulden ein, die sich mit jedem Jahr teurer auflösen und deren Auswirkungen immer gravierender werden.